In der Krise zeigt sich die wahre Grösse

In der Krise zeigt sich die wahre Grösse

Der Kampf um die besten Mitarbeitenden läuft parallel zu den Konjunkturzyklen. Es lohnt sich, den Umgang mit den Menschen im Unternehmen zur Chefsache zu machen, besonders in schwierigen Zeiten.

swiss export journal 2. Quartal 2016; TEXT CHRISTOPH HILBER
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Vor der Finanzkrise, welche sich zur Weltwirtschaftskrise entwickelte, waren Schlagworte wie Work-Life-Balance, Ausbildungsmöglichkeiten, familienunterstützende Angebote etc. fast in allen Stellenprofilen zu finden. Das Thema «Employer Branding», die Positionierung als Top-Arbeitgeber, war Teil der Geschäftsleitungsagenda. Die Führung strengte sich an, die Mitarbeitenden zu pflegen und sich mit der Firma verbunden zu fühlen. Stellensuchende waren irgendwie am längeren Hebel, konnten auswählen – «War 4 talents».
Das Pendel hat inzwischen auf die andere Seite ausgeschlagen. Die Mitarbeitenden sind froh, nicht abgebaut zu werden. Arbeitssicherheit hat Work-Life-Balance als Priorität vom Sockel gestossen. Die Goodies wurden in den Betrieben Opfer von Sparmassnahmen. Der Ton wurde rauer und fordernder, Umsätze brachen ein, Reserven wurden angezapft, Kosten mussten gesenkt und auch Mitarbeitende abgebaut werden – «War 4 jobs».
Diese beiden Szenarien sind nicht in allen Ländern und Kulturen gleich ausgeprägt vorzufinden. Während sich in den Billiglohnländern Non-Profit-Organisationen das Minimum der Rechte von Arbeitnehmenden erkämpfen, sind die Szenarien in den westlichen Ländern sehr ausgeprägt vorzufinden. Google ist wohl eines der extremsten Beispiele, wo alles unternommen wird, um auf allen Ebenen nur die allerbesten Talente anzulocken und zu behalten. In der Krise haben sie vielleicht etwas gebremst, aber bei den Goodies für die Mitarbeitenden wohl keine Abstriche gemacht.

«KULTUR UND WERTE IN EINEM UNTERNEHMEN SIND CHEFSACHE»

Nun, nicht alle Firmen sind mit Google gleichzusetzen. Aber es gibt doch einige Punkte, welche für die nachhaltige Attraktivität als Arbeitgeber berücksichtigt werden sollten:
Das Internet vergisst nie: Wenn die guten Zeiten zurückkommen, werden bei der seriösen Vorbereitung zu einem Vorstellungsgespräch die positiven und kritischen Berichte über den Umgang mit Personal nachbeben, die schlechten zehn Mal mehr als die guten.
Bewertungsplattformen: Immer mehr Mitarbeitende nutzen die Gelegenheit, ihrer Freude oder ihrem Unmut auf Bewertungsplattformen Luft zu verschaffen. Unmut übertrifft Freude.
Werte: Nicht in allen Ländern und Kulturen gelten (leider) die gleichen Massstäbe für den Umgang mit Menschen. Während in ärmeren Ländern diese Werte geprägt sind von Überlebensangst und minimaler humanitärer Infrastruktur, stehen in reicheren Ländern emotionalere Werte zur Auswahl.
Würde und Respekt: In allen Kulturen aber gelten die Grundwerte von Respekt und Würde vor dem menschlichen Leben, um langfristig und nachhaltig eine funktionierende Gemeinschaft – eine Zivilisation – zu erreichen.

«UM SPITZENLEUTE ANZIEHEN ZU KÖNNEN, UNABHÄNGIG VON HIERARCHIEN, IST DAS POSITIVE IMAGE WICHTIG»

Kultur und Werte in einem Unternehmen sind Chefsache. Sind diese gut, werden gute Mitarbei-tende angezogen. Dieselbe Logik gilt für das Gegenteil. Werden in der Hochkonjunktur interessante Menschen mit Versprechen angelockt, sollten sie in der Krise im schlimmsten Fall auch mit Anstand entlassen werden. Dies beginnt mit der offenen Kommunikation und wenn immer möglich mit einer Unterstützung bei der Neupositionierung bzw. Jobsuche. Sozialpläne, Outplacements für Einzelpersonen oder Teams o.ä. sind eine lohnende Investition. Mitarbeitende, welche respektlos entlassen werden, schaden dem Image. Ja selbst Mitarbeitende, welche das Glück haben, nicht gekündigt zu werden, werden Respektlosigkeit mit Sorge beobachten. Ihre Identifikation mit dem Unternehmen wird leiden.

In der Krise zeigt sich die wahre Grösse. Der Krieg um Talente beginnt oft in der Krise. Unterneh-men, welche in Krisen mit Mitarbeitenden respekt- und würdevoll umgehen, werden beim Auf-schwung von einem positiven Image profitieren. Fairness, Grosszügigkeit, Respekt in schwierigen Zeiten – daran wird man sich erinnern. Um Spitzenleute anziehen zu können, unabhängig von Hie-rarchiestufen, ist das positive Image wichtig oder umgekehrt: Ein schlechtes Image zu korrigieren ist sehr aufwändig. In unserer Beratungstätigkeit stellen wir zudem fest, dass sich in guten Zeiten die besten Talente von schlechten zu guten Firmen verschieben – guten Firmen in guten und in schlechten Zeiten. Diese Logik gilt für jede Unternehmensgrösse in jeder Kultur.