Verwaltungsrats-Netzwerk – und Sie?

Verwaltungsrats-Netzwerk – und Sie?

SELBST-MARKETING – Neue Verwaltungsratsmitglieder werden selbst in grösseren, kotierten Firmen gerne über das persönliche Netzwerk gesucht. «Wir beobachten Führungspersönlichkeiten, welche zu uns in den Verwaltungsrat passen würden. Und wenn wir einen VR suchen, kontaktieren wir diese direkt. Und selten sagt einer nicht zu», höre ich oft von Verantwortlichen für die Suche neuer Verwaltungsräte. Wie gelangt man in diesen Beobachtungsstatus?

VR-Praxis 10/2015; TEXT CHRISTOPH HILBER
Download Artikel als PDF
Auch auf www.unternehmerzeitung.ch veröffentlicht.

Durch Leistung – ist die gängige Antwort. Das stimmt selbstverständlich. Aber diese müsste so sichtbar gemacht werden können, dass sie auch wahrgenommen wird. Muss man sich also selbst vermarkten, um an VR-Mandate zu gelangen? Gemäss einer nicht repräsentativen Umfrage von P-Connect gehen die Meinungen zum Thema VR-Selbst-Marketing diametral auseinander. Für 87 Prozent der VR-Präsidenten und Verwaltungsräte, welche für die Suche von neuen VR-Mitgliedern zuständig sind, ist Selbst-Marketing nicht wichtig. Demgegenüber stehen 93 Prozent der VR-Kandidaten und VR-Kandidatinnen, sowie 84 Prozent jener VRP/VR, die nicht für die Rekrutierung von neuen VR-Mitgliedern zuständig sind, die Selbst-Marketing für wichtig oder sehr wichtig halten.

OPTIONEN
Wie macht man auf sich aufmerksam? Es gibt viele Optionen, einige davon wurden in der Umfrage bewertet.

ÖFFENTLICHE ODER POLITISCHE ÄMTER Schade eigentlich, dass sich alle einig sind, über öffentliche und politische Ämter wenig beitragen zu können, um als VR-Kandidat erkannt zu werden. Dabei wäre es wichtig, dass die Wirtschaft beziehungsweise die Unternehmer aktiver in der Politik vertreten wären und dadurch auch positiver wahrgenommen würden.

PUBLIC RELATIONS Die grosse Mehrheit der Kandidaten ist sich einig, dass PR zum Beispiel über Pressemitteilungen, Referate und Fachartikel am wirksamsten ist. Das Angenehme daran ist, dass dabei auf Leistung und Inhalt fokussiert wird. Allerdings braucht es hier eine fleissige PR-Abteilung oder aber viel Zeit. Die Rekrutierenden hingegen sehen die PR mit anderen Augen und halten sie für nicht viel wirksamer als politische Ämter. Trotzdem nützt PR langfristig in jedem Fall, denn früher oder später wird auch das Nomination Committee Ihren Namen in die Suchmaschine eintippen.

FACH- UND BRANCHENVERBÄNDE Seien dies lokale Handelskammern, Gewerbevereine oder die grossen nationalen Verbände. Eine aktive Mitarbeit ist allerdings zeitintensiv. Und ob dann noch Zeit für ein VR-Mandat vorhanden ist, bleibt offen.

EXECUTIVE SEARCHERS Melden Sie Ihre Ambitionen und Ihre Bereitschaft zur Übernahme von VR-Mandaten bei Head Hunters an. Diese verfügen über ein gutes Netzwerk zu Entscheidungsträgern und werden nicht selten für die Suche beauftragt. Deren Aufgabe und Mehrwert ist, die Eignung über klare und umfassende Profile abzuklären und die Besten in die Shortlist aufzunehmen. Dazu gehört auch die Unterstützung bei der «due diligence» für beide Parteien. Ein guter Weg, um bei kotierten Firmen in die engere Auswahl zu gelangen, während kleinere Firmen Berater eher meiden und andere Wege bevorzugen.

SPONTANBEWERBUNGEN Das direkteste Selbst-Marketing ist die persönliche Kontaktaufnahme. Lässt man bekannte Unternehmer sein Interesse für ein VR-Mandat wissen, kann man gleichzeitig den eigenen, möglichen Mehrwert im VR unterstreichen.

CLUBS UND NETZWERKE Fast dieselbe Bedeutung wie PR haben Business- Clubs und Netzwerke, wo sich die Wirtschaftselite trifft. Persönliche Kontakte und gegenseitige Chemie stehen hier im Vordergrund. Hoffentlich findet aber trotzdem ein Mapping mit dem Profil, falls vorhanden, oder mit den strategischen Herausforderungen des Ziel-Verwaltungsrats statt. Für die suchenden VRP/VR ist dies gemäss Umfrage die VR-Quelle Nummer eins.

FAZIT
Auf alle Fälle ist klar, dass versteckte Genies nicht gefunden werden können. Ohne die Zeit und die Bereitschaft, sich selber sporadisch sichtbar zu machen, funktioniert es nicht. Wenn Ihr Name in der Google-Abfrage keine interessanten Resultate liefert, dann wird es schwierig. Kompromittierende Inhalte schaden – und das Internet vergisst sie nie.
Aktuell sind Netzwerke und Business-Clubs aber nach wie vor die wichtigsten Orte, um auf das Radar der VR-Suche zu gelangen. Fraglich ist, ob dieses Vorgehen noch lange den Erfordernissen der Zeit genügt. Governance und Herausforderungen im VR verlangen zunehmend nach systematischeren Suchverfahren. Vielleicht haben wir dereinst den Verwaltungsrat 2.0 – wenn die Web 2.0-Generation in die Führungsetage hineinwächst?

AUTOR
Christoph Hilber ist Betriebswirtschafter und seit sieben Jahren Headhunter mit eigener Firma: P-Connect Executive Search & Recruiting hat den Fokus auf Industrie (MEM), IT/Telekom und Positionen VR, GL und Spezialisten. Vorgängig war er in leitenden Linienfunktionen bei NCR/AT&T, diAx und Siemens.